Man sei kompromissbereit, wolle aber auch eine "klare rote Linie ziehen", hieß es aus Teilnehmerkreisen nach Ende des Spitzengesprächs unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Dazu zähle die Vereinbarung, dass sich die Koalition keinesfalls bei der Anhebung der Regelsätze bewegen werde. Die Regierung will die Sätze um fünf, die SPD und Grüne um elf Euro anheben.
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) rief die Opposition zum Entgegenkommen auf: "Es wird sich heute abend zeigen, ob die Opposition Einigungswillen hat", sagte sie vor Beginn der Verhandlungen. Es müsse endlich Klarheit für die betroffenen Hartz-IV-Empfänger und für die mehr als zwei Millionen bedürftigen Kinder geschaffen werden. Von der Leyen kritisierte die Opposition für deren "Maximalforderungen".
Die Verhandlungsführerin der SPD, Manuela Schwesig, sagte, Ziel
der SPD sei, zu einem Ergebnis zu kommen. "Wir sind gespannt,
was die Koalition heute vorlegt, nachdem Merkel ihre Leute zum
Rapport gerufen hat." Sie empfinde die FDP bei diesen
Verhandlungen "als Klotz am Bein". Die Koalition rief sie auf, ihre
"Blockadehaltung aufzugeben".
Der Unterhändler der Grünen, Fraktionsvize Fritz Kuhn, warf der
Regierung vor, "noch immer keinen Vorschlag für einen
verfassungskonformen Regelsatz" vorgelegt zu haben. Er kündigte
gemeinsame Vorschläge von SPD und Grünen an. Die Verhandlungen
sollen nach Kuhns Worten "an Grünen und SPD nicht scheitern".
Vor den beiden Verhandlungsrunden am Abend hatte Merkel die
Bürger auf ein Scheitern eingestimmt. Sie sehe "sehr schlechte
Chancen" für eine kurzfristige Einigung.
In dem von SPD und Grünen angekündigten neuen Vorschlag soll es
für jedes der drei Streitthemen - Regelsatz, Bildungspaket und
Mindestlohn - zwei Alternativvarianten geben, erfuhr die
Nachrichtenagentur dpa. Die Positionen von CDU/CSU und FDP habe man
bei dem Kompromisspapier berücksichtigt.
Kommt es zu keiner Einigung, werden die 4,7 Millionen
Hartz-IV-Empfänger und die 2,5 Millionen Kinder aus armen Familien
vorerst weiter auf höhere Leistungen warten müssen. Wegen der vor
einem Jahr vom Bundesverfassungsgericht bereits zum 1. Januar 2011
verlangten Neuregelung wird eine Klagewelle von Betroffenen und
Sozialverbänden auf der Basis des Verfassungsurteils
befürchtet.
Merkel kritisierte, die Opposition konzentriere sich nicht auf
die Umsetzung des Urteils, sondern auf das von ihr Wünschenswerte.
Wenn sich das nicht ändere, sei sie "leider sehr skeptisch".
Im Gegenzug warf SPD-Chef Sigmar Gabriel der Kanzlerin vor, die
Gespräche offensichtlich scheitern lassen zu wollen. "Frau Merkel
ist der kleinste gemeinsame Nenner von CDU, CSU und FDP wichtiger
als eine faire Einigung im Sinne der Betroffenen." Niemand habe
etwas davon, in dieser Sache weiter zu blockieren.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hielt der Koalition vor,
das Bildungspaket nicht ausreichend finanziert zu haben.
Nach den Worten der Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast,
hat die Kanzlerin es zu verantworten, dass die Regierung ein Jahr
nach dem Urteil des Verfassungsgerichts immer noch keinen
"ordentlich berechneten Regelsatz" für Langzeitarbeitslose
vorgelegt habe.
Die FDP sieht keinen Zeitdruck für eine Einigung und hält auch
eine Sondersitzung des Bundesrates nicht für notwendig. Man fürchte
sich nicht vor einem Wahlkampf mit diesem Thema, hieß es aus der
Führung der Partei. Man setze auf das Gerechtigkeitsempfinden der
Bevölkerung. Die Koalition will die Sätze für Hartz-IV-Empfänger
auch deswegen nicht so stark erhöhen, weil der Abstand zum
Einkommen von Geringverdienern und Rentnern sonst geringer
würde.
CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich wies die Forderung
von SPD und Grünen nach Anhebung des Regelsatzes über die geplanten
fünf Euro hinaus. Die Anhebung stehe auf einer verfassungsgemäßen
Berechnung, von der nicht willkürlich abgewichen werden könne. Dies
bestreiten SPD und Grüne.
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